Die Elster brachte den Tod

Am Donnerstag den 15. Mai 2008 berichtete NTV über eine Studentin, die in Bremerhaven aufgrund eines Vogelnestes im Schornsteinschacht ums Leben kam. Hier der Bericht von NTV:

Elster verstopft Schornstein - Studentin stirbt in Badewanne
Wegen einer Elster im Schornsteinschacht ist eine 27-jährige Studentin in Bremerhaven an einer Gasvergiftung gestorben. Der Vogel verstopfte das Abluftrohr der Gas-Therme, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Der Unfall habe sich bereits Pfingstmontag ereignet. Man habe aber zunächst nicht darüber berichtet, weil auch ein Suizid wegen Examensstresses denkbar gewesen sei. Die Studentin, die noch bei den Eltern wohnte, habe sich gegen 17.30 Uhr in die Badewanne gelegt, erklärte die Polizei. Gegen 20.00 Uhr seien die Eltern unruhig geworden und hätten die von innen abgeschlossene Tür aufgebrochen. Die Tochter habe regungslos in der Wanne gelegen, der Notarzt habe nicht mehr helfen können. Bei der Obduktion wurde laut Polizei eine Kohlenmonoxidvergiftung festgestellt. Daraufhin habe man die Gas-Therme und die Schächte untersucht und schließlich den toten Vogel entdeckt. Vor rund sieben Wochen hatte in Herne ein Vogelnest im Kaminabzug eines Wohnhauses zum Erstickungstod einer dreiköpfigen Familie geführt. Eine 41-jährige Mutter sowie ihre acht und 18 Jahre alten Kinder starben seinerzeit an einer Kohlenmonoxidvergiftung.


Das Abendblatt berichtete am 27. Mai 2008 über das selbe Thema wie folgt:

RECHTSMEDIZIN Hamburger Forscher klärten den Fall auf - Die Elster brachte den Tod

Eine junge Frau kam in ihrem Badezimmer um. Die Obduktion ergab: Sie starb an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Ursache: Eine unvollständige Verbrennung in der Gas-Therme - das Abzugsrohr war verstopft von einer toten Elster. Eine Elster hat die Frau getötet." Das klingt wie aus einem schlechten Krimi oder einem Filmschocker à la Hitchcocks "Die Vögel". Doch Klaus Püschel meint das ernst. Der Professor und Chef des Instituts für Rechtsmedizin des Uniklinikums Eppendorf (UKE) bringt mit dieser Bemerkung ein aktuelles Untersuchungsergebnis auf den Punkt. Diesem höchst ungewöhnlichen, aktuellen Fall liegen ein paar merkwürdige Zufälle zugrunde, "Zufälle, die jeden Lebensweg kreuzen können", sagt Püschel. Die schreckliche Folge: Eine 27 Jahre alte Studentin kommt zu Tode - durch einen Vogel. So geschehen vor zwei Wochen. Doch der Reihe nach. Die junge Frau lebt im Reihenhaus ihrer Eltern in Bremerhaven-Geestemünde. Sie ist im Examensstress. Um 17.30 Uhr sagt sie, sie wolle ein ausgiebiges Bad nehmen - zur Entspannung. Deshalb wundern sich die Eltern erst später, wo ihre Tochter bleibt. Sie werden unruhig und brechen die Tür auf. Die junge Frau liegt tot in der Wanne. Der Notarzt kann ihr nicht mehr helfen. Und es bleibt die Frage: Woran ist die Frau gestorben? Die Rechtsmediziner am Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf sollen Klarheit schaffen. Prof. Püschel reicht ein Blick auf die Leiche der jungen Frau. Ihm fallen sofort die "hellroten Leichenflecken" auf - "typische Zeichen einer akuten Kohlenmonoxidvergiftung", sagt er. Eine Laboranalyse des Blutes bestätigt schließlich den Verdacht. Jetzt geht es darum, schnell die Quelle des tödlichen und geruchlosen Gases zu finden, die "verborgene Schadensursache", so Püschel. Denn das Wissen der Rechtsmediziner soll nicht nur verdeckte Todesursachen aufklären. Püschel: "Wir wollen mit unserer Methodik auch die Gesundheit der anderen Menschen erhalten, die ebenfalls gefährdet sind, solange der Fehler nicht gefunden und beseitigt ist." Also wird die Gas-Therme im Badezimmer der zu Tode Gekommenen genau untersucht. Das Abzugsrohr führt in den Schornstein. Am Boden des Kaminzugs liegt eine Elster - tot. Auch sie wird von den Hamburger Spezialisten obduziert. Der eindeutige Befund: Auch sie starb an Kohlenmonoxid (CO). Der Fall ist damit aufgeklärt. Püschel beschreibt, wie es zu dem Unglück kam: Die Elster geriet in das Rohr des Kamins und kam nicht mehr hinaus. Als die Frau beim Bad die Therme in Betrieb setzte, verstopfte der Vogel den Abzug und verursachte eine unvollständige Verbrennung. Püschel: "Bei jeder unvollständigen Verbrennung kohlenstoffhaltiger Materialien entsteht hochgiftiges Kohlenmonoxid." Diese Gefahr sei aber vielen Menschen nicht bewusst. Vor allem, seit die zum Heizen oder Kochen verwendeten Gase selbst keinen CO-Anteil mehr haben, wie noch vor etwa 20 Jahren. Gefährlich wird das immer dann, wenn nicht genug Sauerstoff zugeführt wird, also zum Beispiel in geschlossenen Räumen, und CO2 (Kohlendioxid) abgegeben wird (etwa durch Verbrennung und Atmung). Püschel verweist auf Unglücksfälle, die in der Medizin dokumentiert sind. So zum Beispiel der Tod eines Bundeswehrsoldaten, der mit zwei Kameraden in einem VW-Bus übernachtete. Ein Propangans-Brenner diente als Heizung. Alle Fenster und Türen des Busses waren geschlossen. Nach rund fünf Stunden waren alle bewusstlos. Zwei der jungen Männer überlebten trotz der schweren Vergiftungssymptome. Alle Beteiligten waren der festen Überzeugung, dass bei der Verbrennung von Propan kein CO entstehen könnte - ein Fehlschluss. Mit sinkendem Sauerstoff- und steigendem CO2- Gehalt bildet sich die tödliche Mischung. Deshalb muss insbesondere bei allen Campinggasgeräten auf richtige Handhabung und einwandfreien Zustand geachtet werden. Das Gefährliche des Kohlenmonoxids: Es bindet sich an den Blutfarbstoff (Hämoglobin, Hb) mit 200- bis 300-fach höherer Kapazität des lebensnotwendigen Sauerstoffs. So verhindert das CO den Sauerstofftransport im Blut. Es kommt zu Kopfschmerz, Unwohlsein, Schwindel, schließlich zu flacher Atmung, Kreislaufkollaps und Bewusstlosigkeit. Bei 40 bis 50 Prozent COHb-Konzentration wird es lebensgefährlich. Der Tod tritt rasch ein. Den Bewusstlosen ist nur zu helfen, wenn ihnen schnell Sauerstoff zugeführt wird, zum Beispiel reiner Sauerstoff über Maskenbeatmung. Doch eine CO-Vergiftung zu diagnostizieren - auch das zeigt der aktuelle Fall aus Bremerhaven - fällt heute offensichtlich auch Ärzten nicht leicht, trotz eindeutiger Symptome. Erst einige Wochen zuvor war ein ukrainischer Lkw-Fahrer, ebenfalls in Bremerhaven, tot in seinem Führerhaus gefunden worden. Der Campinggaskocher, auf dem er sich einen Tee zubereitet hatte, brannte noch. Auch er starb an Kohlenmonoxidvergiftung, wie Püschel nachwies. Ungeachtet dieser Einzelfälle nimmt die Zahl tödlicher CO-Vergiftungen neuerdings aber eher ab. Püschel: "Aber die Gefahr bleibt die alte."